Wir leben in einer Überflussgesellschaft: Im 21. Jahrhundert gibt es zumindest in den westlichen Gesellschaften (fast) alles im Überfluss, insbesondere Informationen, Nachrichten, Meinungen. Und das Web 2.0 ist daran nicht ganz unschuldig! Aktuell schreiben Martin Weigert (netzwertig) und Christiane Schulzki-Haddouti (KoopTech) über diesen „Überfluss“ an Informationen und seine Folgen.
Aggregation und Aggregationskritik
Natürlich stand im Web 2.0 lange der User Generated Content im Vordergrund, waren und sind doch die neuen Möglichkeiten des digitalen Publizierens und Networkings faszinierend. Erst mit einer gewissen Verzögerung folgte dann auch das Thema „Aggregation“, ohne bislang jedoch mit einer ultimativen Lösung aufwarten zu können.
Das jüngste Beispiel hierfür ist das Portal Blogs.com, das von Six Apart lanciert wurde. Hier sichtet eine „klassische“ Redaktion Blogbeiträge und listet dann das Lesenswerte auf. Weit wird man damit aber nicht kommen, krankt doch auch diese Lösung an einem Problem, das bislang kein Aggregator lösen konnte: Es fehlt der individuelle Ansatz für die Bedürfnisse des einzelnen Lesers.
Selbst Twine, mit seinem semantischen Ansatz, bleibt da noch viel zu allgemein. Eine Enttäuschung in meinen Augen ist bislang auch socialmedian, wo immerhin nicht einfach nur pauschal ganze Blogfeeds eingelesen werden, sondern zusätzlich die Artikel anhand von Tags auf ihre Relevanz hin überprüft werden. Die unvermeidlichen Community-Elemente verwässern aber wieder diesen ansonsten sehr guten Ansatz.
Und ganz aktuell scheint sich bei Robert Scoble die Begeisterung über FriendFeed etwas zu legen: Er vermisst eine Filterfunktion und das zu Recht. Denn auch FriendFeed ist noch sehr pauschal, weil es mit einer starren Feedfunktion arbeitet (zumindest auf der Ebene der direkten Freunde).
Gemessen daran, wie drängend eigentlich das Problem mit der Überfülle an Informationen ist, wundert es mich, dass es hier nicht mehr kreative Lösungsansätze gibt.
Probleme und der tote Punkt
Wichtige Helfer im Datenchaos des Web 2.0 sind RSS und die Feedreader. Allerdings sind Feedreader als reine Lesemedien konzipiert, ihre Schwachstelle ist die schlechte Verbindung zur Kommentarfunktion in Blogs. Zudem importieren sie starr alles aus einer Quelle und erlauben keine Selektion nach Themen (es sei denn, die Quellseite bietet thematische Einzelfeeds).
An zweiter Stelle stehen die Memetracker wie Techmeme und Rivva. Ihr Problem ist, dass längst nicht immer nur „guter“ Content verlinkt und damit für ihre Algorithmen verwertbar wird. Da sich in letzter Zeit zudem viel Kommunikation auf Twitter oder auch FriendFeed verlagert hat, müssen die Memetracker sehen, wie sie damit umgehen.
Die dritte (und von mir gänzlich ungeliebte) Kategorie bilden die Social News Portale, deren bekannteste Vertreter Digg und hierzulande Yigg sind. Durch das Abstimmen der User sammelt sich auf diesen Seiten vorzugsweise Populäres. Für den modernen „Knowledge Worker“ sind diese Seiten nicht sehr hilfreich.
Als toten Punkt bezeichne ich in dieser Kette die Versuche, Aggregatoren auf der Basis vollständig integrierter Artikel aufzubauen. Shyftr hat es versucht und ist am anhaltenden Widerstand der Blogosphäre gescheitert. Ein Blick auf deren Startseite genügt, um zu sehen, wo Shyftr heute steht.
Wo die Reise hingehen wird
Das optimale Produkt wird eine Seite im Web sein, die Inhalte individuell aggregiert anzeigt. Sie wird wie ein Feedreader arbeiten, aber dazu noch eine Zwischenebene einziehen, auf der die per RSS gezogenen Inhalte semantisch gescannt werden (auf relevante Tags etwa). Zudem werden Filter mit individuellen Einstellungen den Content weiter vorselektieren. Was man etwa auf der Ebene von Tags machen kann, zeigt ein Dienst wie Twitscoop: Er zeigt laufend aktualisiert häufig verwendete Begriffe aus Twitter, über die man oft genug wieder zu getwitterten Artikel-Links geführt wird.
Dazu benötigt so ein Reader aber zwingend auch eine Verbindung zur Kommunikationsebene. Einen Twitterclient zu programmieren und integrieren dürfte dabei nicht schwer sein. Anspruchsvoller ist sicher die Anbindung an FriendFeed und an die Diskussion in Blogs. Die Lösung auf Blogebene liegt im Prinzip aber schon vor: Kommentarsysteme wie Disqus und IntenseDebate könnten hier die Schnittstelle bilden.
Davon sind wir eigentlich gar nicht so weit weg. Für ein solches, nicht ganz triviales, Produkt fehlt dann nur noch ein Geschäftsmodell. Aber das hat im Web 2.0 bekanntlich noch niemanden abhalten können, etwas Neues zu beginnen…
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